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In Deutschland geht es uns im Vergleich zu den meisten anderen Ländern ungemein gut. Wir können es uns erlauben, Hunde als Hobby zu halten. Sie müssen nicht für uns arbeiten, sie können einfach an unserer Seite leben.
Wir haben dann irgendwann festgestellt, dass sie sich langweilen. Sie waren so lange Zeit in Jobs, dass es schlichtweg kein Geschenk ist, 24/7 auf der Couch zu liegen.
Deshalb haben wir angefangen, sie zu bespaßen.
Leider haben wir die Erkenntnis nicht als Einladung gesehen, selbst wieder naturnaher zu leben und mit unserem Hund draußen umherzustreifen – wir haben künstliche Hobbies entwickelt. Irgendwann ist uns aufgefallen, dass unsere Hunde genauso gestresst sind wie wir. Sie kommen nicht mehr zur Ruhe, weil ihr Terminkalender voll ist und sie an der Seite von uns permanent gehetzten Menschen leben.
Deswegen haben wir sie entschleunigt.
Wir haben ihnen wieder Ruhe verordnet. Und weil wir Menschen dazu neigen, in Extremen zu denken, haben wir die Hunde damit halb wahnsinnig gemacht. Auch wir Menschen würden Entspannungszeiten auf der Couch genießen – Isolationshaft auf der Couch, weil man erst entspannt sein muss bevor man leben darf, würde dazu führen dass wir einen Lagerkoller bekommen.
Wir haben irgendwann gemerkt, dass Hunde andere Hunde brauchen weil sie nun mal Hunde sind. Anstatt einen natürlichen Umgang mit Begegnungen unterwegs zu üben (der natürlich auch herausfordernd ist, weil die Hunde da draußen immer komplizierter werden),
haben wir Hundespielplätze gebaut.
In wilden Horden durften unsere Hunde dort übereinander herfallen.
Bis uns auffiel, dass das selten wirklich entspannt und harmonisch aussieht. Deswegen haben wir dann propagiert, dass Hundekontakt Stress für die armen Hunde ist und
wir haben sie voreinander gerettet.
Wir haben Hundesprache gelernt und weil wir endlich Stress erkannt haben, haben wir die Hunde entstresst. Dass Monotonie wiederum Stress verursacht… Puh. Das steht auf einem anderen Blatt.
Wir haben Beschwichtigungssignale entdeckt und keine Grenzen mehr gesetzt, weil wir gesehen haben dass die Hunde beschwichtigen. Seitdem müssen wir beschwichtigen, weil die Hunde gelernt haben dass wir ihnen nichts mehr entgegensetzen.
Natürlich ist das alles nicht linear so verlaufen, wie ich es hier schreibe. Und natürlich ist das nicht bei jedem so. Fakt ist aber: Wir leben inzwischen so künstlich, so entfernt von unserer/der Natur, dass wir Konzepte für Hunde suchen – statt uns daran zu erinnern, dass Hunde HUNDE sind.
Sie wollen sich weder in unseren Wohnzimmern langweilen, noch wollen sie durch unser hektisches Leben geschleift werden. Sie wollen respektiert werden und sollen genauso uns respektieren. Sie nehmen die Welt mit der Nase wahr und wollen dafür natürlich Gelegenheiten haben, zu schnüffeln. Sie sind soziale Lebewesen und gleichzeitig Individuen.
Wenn man die Hundeszene in Deutschland beobachtet, kann man Trends verfolgen. Es ist toll, dass wir versuchen, Hunde glücklich zu machen. Sie sind unsere Familienmitglieder und wir wollen ihnen Gutes. Je weniger wir unser Herz und unseren Instinkt aber sprechen lassen und Hunden mit dem Kopf begegnen, desto eher reden wir an ihnen vorbei.
Die meisten Hunde leben weltweit betrachtet frei. Sie können umherstreunern und dösen ungemein viel, weil sie natürlich permanent Eindrücke erleben – selbst wenn sie rumliegen. Ich wünsche mir für die Hunde in Deutschland, dass sie in diesem Jahr Hunde sein dürfen. Dass man sich nicht permanent darin ausprobiert, in welche Richtung man sie am besten biegen kann. Dass man mal die Mitte im Umgang mit ihnen findet.
Wir können alle nur gewinnen, wenn wir Hunden ein natürlicheres Leben bieten – denn ganz ehrlich, würden wir uns nicht danach sehnen, würden wir uns doch keine Tiere ins Haus holen und sie darin einsperren.
Ein frohes Neues!